Donnerstag, 27. Januar 2011

Ein Brief

Gestern hab ich einen Brief bekommen. Zwar nicht handschriftlich geschrieben, aber trotzdem - ein richtiger Brief. Einfach so. Von einer Freundin, die mir viel bedeutet, zu der der Kontakt jedoch leider über die Jahre immer weniger geworden ist.
Beim Abendbrot war ich meiner Familie gegenüber etwas schweigsam, aber ich musste den Brief lesen. Während des Abendessens. Es gibt Dinge, die dulden keinen Aufschub.

Ich lernte diese Freundin 1983 kennen. Mit ihrer Münchner Klasse war sie in Dresden zu Besuch, im tiefsten Osten, im Tal der Ahnungslosen. Ihre Lehrerin war eine Tante ixten Grades von mir. Eines Abends hat sich diese Lehrerinnen-Tante mit meinen Eltern zum Konzertbesuch in der Semperoper verabredet, während mein Bruder und ich in der Jugendherberge 5 Schüler abholten, die sich mal mit jungen, richtigen DDR-Bürgern unterhalten wollten. An die Wende und ein vereinigtes Deutschland war damals überhaupt noch nicht zu denken.
Heute bekomme ich die Namen der fünf leider nicht mehr zusammen. Es waren zwei Mädchen und drei Jungs, die zu uns kamen. Meine Eltern hatten sogar eine Flasche Wein geopfert, die wir zu siebent austranken. Betrunken wurden wir nicht, aber es war ein lustiger, interessanter und wunderschöner Abend bei uns zuhause, an den sich die inzwischen 28 Jahre andauernde Freundschaft mit Ina anschloss.
Wir verloren uns nie aus den Augen, hatten bei Problemen immer ein offenes Ohr für den anderen.
Früher schrieben wir uns Etappenbriefe. Das waren riesig lange Briefe, die über einen längeren Zeitraum geschrieben wurden, immer wenn Zeit war, und an deren Ende immer schon ein Update der Themen vom Anfang standen. So eine Art Tagebuch-Brief. Mitunter waren diese Briefe 10 oder 12 Seiten lang. Es dauerte manchmal Wochen, ehe so ein Brief so weit war, auf die Reise zu gehen. Dann dauerte es aber auch nicht nur 10 Minuten, ihn zu lesen.
Ina war bei allen wichtigen Stationen meines Lebens dabei, nicht immer körperlich anwesend, aber immer als eine meiner liebsten und vertrautesten Personen. Sie kam zu meiner Hochzeit und zur Taufe meines Sohnes Eric, dessen Patin sie auch ist. Eine ganz bezaubernde Patin ist sie übrigens, die keinen Geburtstag vergisst und zu Weihnachten immer ein kleines Päckchen an ihren kleinen Patenjungen (der ja bekanntlich nun 17 Jahre wird) schickt, das neben Schokolade und Süßkram ein gutes, meist ziemlich unbekanntes Buch und einen Brief samt Fotos für Eric (und meist auch einen Brief für mich) enthält. Umso trauriger stimmt es mich, dass Eric das nie zu würdigen wusste. Er hat sich nie wirklich bedankt. Obwohl ich von ihm immer eine "Bedankemichvollzugsmeldung" bekommen hatte, ist dieser Dank bei Ina leider nicht angekommen. Das enttäuscht mich sehr.

In den letzten Jahren wurden aus den Etappenbriefen Emails, und die Zeitabstände wurden immer größer. Hin und wieder telefonieren wir, aber eigentlich viel zu selten. Der Grund ist Zeitmangel und Mangel an Gelegenheit vor allem bei Ina. Inzwischen hat sie vier noch kleine Kinder (der Älteste ist in der 4. Klasse, der Jüngste noch ein Kindergartenkind) und ist dementsprechend ausgelastet. Ihr Mann arbeitet in einer eigenen Praxis als Kinderarzt und sie ist Lehrerin mit 11 Wochenstunden.

Nach dem Lesen des Briefs gestern abend hatte ich spontan das Gefühl, dass meine liebe Freundin in ihrem Leben nicht wirklich glücklich ist und dringend mal was anderes als ihre vier Kinder, den Haushalt, die Schüler und den Alltag sehen müsste. Am liebsten hätte ich spontan einen Urlaub lastminute für sie und mich gebucht, damit wir mal wieder Zeit haben, in Ruhe miteinander zu reden, zu lachen und mal an ganz andere Sachen als den zu bewältigenden Alltag denken können. Aber sie hat ja nicht mal Zeit, mit ihrem Mann ein paar "ungestörte" Stunden zu verbringen, wie könnte sie dann einfach mit mir wegfahren... ?

Ich muss mir dringend was für sie überlegen.

Dienstag, 25. Januar 2011

Ende und Anfang

Nun sind wir durch. Eine Ära ist zuende.

Die Ära der Stiefgeschwister-WG Conne/Franzi hat ausgedient. Richtig funktioniert hatte sie sowieso nicht lange. Die beiden sind zu unterschiedlich, als dass es eine Dauerlösung hätte sein können. Allerdings funktionieren die wenigsten WG's richtig gut, glaube ich.

Nach einem arbeitsreichen Wochenende, das mir ordentlich Muskelkater bescherte, ist nun die Wohnung (fast) in einem besseren Zustand als bei der Übernahme. Was haben wir gemalert, geschrubbt und geräumt! Die ganze Patchwork-Familie kam zusammen, um mit anzupacken. Einzig Connes Zimmer muss nun noch gesäubert werden - und ich wette, die Leiter, die sein Vater am Sonntag abholen sollte, liegt auch noch im Keller. Unser Part ist aber getan, den Rest schaffen die "Kleinen" selbst.

Ich persönlich finde es ein wenig traurig, dass zwischen den beiden das typische WG-Gezänk auch nicht ausblieb (ich muss immer alles machen und du machst nüscht vs. ich bin ja auch fast nie da oder nutze das nicht), aber so ist es nun mal und ich kann es nicht ändern (und will mich da eigentlich auch nicht reinhängen). Für Conne hoffe ich sehr, dass es mit Nadi nicht die gleichen Diskrepanzen geben wird, aber da ist ja Liebe im Spiel. Das geht vielleicht besser dadurch. Fakt ist, dass es für die jungen Leute schon eine Herausforderung ist, mit 22 einen eigenen Haushalt zu führen und ihr Leben selbst in der Hand zu haben. Nicht umsonst leben noch so viele in dem Alter bei ihren Eltern. Das ist billiger und viel bequemer.
Ich hatte mit 22 schon mein erstes Kind - eben jener, dessen alte Wohnung ich am Wochenende mit "auf Vordermann" gebracht hatte. Auch mir fiel es nicht leicht, eine Superhausfrau zu werden (und auch heute noch setze ich meine Prioritäten anders), auch ich musste kämpfen - gegen Geldnot, gegen Unordnung und Desorganissation und schließlich gegen meinen inneren Schweinehund. Aber ich hab gekämpft. Und das erwarte ich von meinen Kindern auch.

Lieber Conne, liebe Franzi, ich wünsche euch beiden sehr, dass ihr mit euren Aufgaben wachst, dass ihr euren Weg geht - ich hab ein gutes Gefühl.

Montag, 17. Januar 2011

Halali








Gestern waren wir mit Lola im Rahmen unseres Hundeschulprogramms bei einer Jagd als Treiberwehr. In der Hoffnung auf einen erzieherischen Nutzen bei Lola hatten wir uns angemeldet.

Sonntag 5:30 aufstehen. Das war das erste Highlight für uns. Lola klappte ein Auge auf und wieder zu. "Geht ihr mal, aber lasst mich liegen" hieß das. Ich habe auch mit mir gerungen, ob ich die Jagd Jagd sein lassen und mich stattdessen wieder in mein wunderbares, warmes Bett kuscheln sollte, aber dann siegte doch die Abenteuerlust.

Ein Abenteuer wurde es dann auch - und was für eins.

Treff war 8:00 Uhr vor einem Waldstück in der Nähe von Kamenz. Wir hatten gedacht, es sind vielleicht 10 Hunde da als Teiber und drei Jäger, aber was wir sahen, hat uns, gelinde ausgedrückt, erstaunt: etwa 100 Autos standen da auf dem Parkplatz, Jäger im richtigen Jägerzwirn und mit Hut und Feder auf dem Kopf. Ich hab nicht gezählt, aber es waren viele. Und es gab viele wie uns, die als Treiber fungierten. Viele Hunde, alle mit mindestens einem orangen oder gelben Signalhalsband, damit sie nicht für Waldestiere gehalten werden, waren ebenso versammelt wie die Herrchen und Frauchen, die auch orange oder gelbe Signalwesten trugen. Es war ein Gewusel und Getümmel, bis dann wirklich die Jagd mit den Jagdhörnern eröffnet wurde. Der Chef las vor, was zum Abschuss freigegeben war: Schwarzwild in jeder Form und  teilweise Dam- und Rotwild. Dann wurde die Treiberwehr eingeteilt in vier Gruppen, jede Gruppe hatte einen erfahrenen Treiberführer.  Die Jäger verschwanden, die Treiber mussten noch warten. Und Lola wurde kalt. Sie zitterte und schaute wiedermal hilfesuchend zu uns "Kömma jetzt gehn?"

Pünktlich neun Uhr gings dann ab in den Busch. Der Treiber mit ERfahrung erklärte uns kurz, wie wir uns verhalten  und wo wir langgehen sollten - und trotzdem machten wir anfangs alles falsch, verloren die Richtung, in der wir laufen sollten und machten viel zu wenig Krach, weil wir viel zu sehr mit uns und den Hunden beschäftigt waren.

Das Waldgebiet war zu großen Teilen durch die Schneemassen und das Tauwetter abgesoffen. Bei meinen Überlegungen morgens zur günstigen Bekleidung entschied ich mich für meine Wolfskin-Treter, weil die wasserdicht sind und ich darin guten Halt habe, wenn es durch unebenes Gelände geht. Leider  sind die aber nur bisschen mehr als knöchelhoch, und die Wälder standen an einigen Stellen vielmehr als knöcheltief unter Wasser. Und diese Stellen konnten nach 10 minuten unterwegs sein nicht mehr umgangen werden, wir mussten also durch. ich bin in wahnwitzigen Riesensätzen durch diesen "Tümpel" gehüpft, aber es hat nix geholfen. Die Schuhe waren nass, die Füße auch. Zum Glück sind meine Treter richtig gutpassig, so habe ich wenigstens keine Blasen an den Füßen bekommen.

Nach einer Viertelstunde mit Hund unterwegs war ich völlig am Ende, auch wenn es für mich eine schöne Erfahrung war, wie intensiv man mit Hund an der Leine im dichten Wald zusammenarbeiten muss. Der Hund achtet sehr darauf, wo man langgeht, damit er den Baum nicht links passiert, während ich rechts lang laufe. Die kleinsten körpersprachlichen Signale werden verstanden und befolgt. Wären da nicht ständig diese Wasserlöcher gewesen und hätte ich nicht diese wahnsinnig schweren, vollgesogenen Schuhe an den Füßen gehabt, hätte ich Lola sicher auch weiter führen können. So war ich heilfroh, dass Volker sie nahm, wenn er auch vieles in meinen Augen wieder nicht richtig gemacht hat. Man sieht die Fehler halt immer nur bei anderen, die eigenen sieht man erst, wenn man mal gefilmt wird.

Irgendwann hatten wir dann auch begriffen, was Treiber so machen sollten während der Jagd. Es gab weniger Schelte vom Erfahrenen. Vielleicht war er dann auch einfach nur resigniert. Wir hatten gottlob keinen Kontakt zu Schwarzwild, aber eine Gruppe von zwanzig (hat jemand gezählt!) Hirschen galoppierte vor uns her - das war schon sehr beeindruckend. Einige dieser Tiere überlebten die Flucht nicht, es krachten Schüsse. Und einmal kam noch eine Gruppe von 4 Hirschen auf uns zugaloppiert und durchbrach die Reihe der Treiber nach hinten. Ich glaube, die sind mit dem Leben davongekommen. Insgesamt habe ich noch nie so viel Wild im Wald gesehen. Jetzt weiß ich es nicht nur, sondern glaube es auch: Der Wald lebt.

Nach drei Stunden schon war die Jagd aus, alle versammelten sich an einem Platz zum Sitzen am Lagerfeuer, zum Grillen und zum Auslegen der "Opfer". Als wir dann erwärmt und gesättigt und unglaublich müde den Heimweg antraten, lagen da 8 Wildschweine und 3 Hirsche. Unter den Treibern und Hunden sind keine Opfer zu beklagen.

Alles in allem war es eine tolle Erfahrung, wahnsinnig kräftezehrend, aber bleibenden Eindruck hinterlassend. Wäre das Hochwasser nicht gewesen, hätte es uns sicherlich richtigen Spaß gemacht. ;-)